Helmstedt – wach´auf und nutze Dein Glück-auf!

Helmstedt – wache auf!  Direkt vor der eigenen Haustür hat eine international tätige chinesische Holding, die Beijing Enterprises, die EEW GmbH gekauft.

Eine standortbezogene Betrachtung neuer Technologiefelder bezugnehmend auf den Kauf der EEW GmbH durch einen chinesischen Industriekonzern.

Wenn man den chinesischen Markt und die chinesische Wirtschaftspolitik beobachtet, so gibt es in vielerlei Hinsicht erkennbare Geschäftspotenziale für deutsche Unternehmen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Nicht umsonst hat erst unlängst ein chinesischer Konzern in Helmstedt Umwelttechnologie eingekauft. Und das war – nur nebenbei bemerkt – der größte Deal in Deutschland mit einem chinesischen Konzern bis Mitte 2016. Dieser Deal steht für einen Paradigmenwechsel der chinesischen Wirtschaftspolitik und ich möchte darauf etwas vertiefend eingehen.

Zunächst aber schauen wir uns in einer Sparte in China um, die mit einem ganz aktuellen Problem im Landkreis Helmstedt zu tun hat – der Schließung von Kohlestandorten. China macht in den nächsten fünf Jahren  1.000 Kohlekraftwerke dicht! Sie haben richtig gelesen!
Nur ein Vergleich – in Deutschland sind es aktuell 7-8 Kraftwerksstandorte, die bald zugemacht werden. Ok, China ist eine ganz andere Liga, doch ich möchte ja auch nur für eine Sichtweise sensibilisieren, die den Blick vielleicht für die Absichten chinesischer Unternehmenskäufer noch mehr schärft. In China geht bei der Schliessung der 1000 Kohlekraftwerke gleich um ca. eine Million Arbeitsplätze, alleine nur aus der Bergarbeiterschaft, ohne die Zuliefererstrukturen gerechnet. Und die chinesische Führung weiss nur zu gut, dass dieses Potenzial an Arbeitslosen, vor allem aus dem Bergbau eine unter Umständen hochexplosive Gesellschaftsgruppe darstellt. Deshalb sind chinesische Vertretungen auf der ganzen Welt dazu aufgerufen worden, bestehende Unterstützungsprogramme zu studieren, die darauf abzielen Arbeitslose zu vermeiden, Arbeitslose umzuschulen und neu zu qualifizieren, um den avisierten Paradigmenwechsel in der chinesischen Wirtschaftspolitik erfolgreich zu bewerkstelligen, ohne dass es zu ernstzunehmenden gesellschaftlichen Verwerfungen kommt.

Hintergrund dieser Vorgehensweise ist folgender: Im März diesen Jahres verabschiedete Chinas Nationaler Volkskongress den neuen Fünfjahresplan. Die Entwicklungsziele sind wie immer sehr engagiert. Ein durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von mindestens 6,5 Prozent soll dazu beitragen, bis 2020 die durchschnittlichen Einkommen und die Wirtschaftsleistung gegenüber 2010 zu verdoppeln!
Der neue Plan führt die bereits laufende Umstrukturierung des Wachstumsmodells weiter. Ineffektive Großbetriebe und marode Bergwerke sollen im Zuge dessen geschlossen werden. Vor allem der Binnenkonsum und die Innovationsfähigkeit sollen in China gestärkt werden. Doch die gesellschaftlichen Herausforderungen sind enorm.
Vor allem Hightech steht im Fokus der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung. Dies bietet besonders deutschen Unternehmen neue Geschäftschancen, denn ein wichtiges zukünftiges Geschäftsfeld liegt bei mehr und höherwertigen Innovationen. Dies birgt deutlich erkennbar neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit von deutschen und chinesischen Unternehmen. Natürlich haben die Fachleute das längst erkannt und es sind jeden Tag hunderte von ihnen in dieser Angelegenheit unterwegs, um neue Geschäfte anzubahnen oder sogar Verträge zu unterzeichnen.

Die Umstrukturierung der Montanindustrie ist ein Schwerpunkt deutsch-chinesischer Zusammenarbeit. Deutschland und China machen bereits Bergbauprojekte in Drittstaaten, wie Ausbildungsinitiativen in Afghanistan u.v.m.. Und China zeigt sich sehr interessiert an deutschen Qualitätsproduktionen, die sie in einer nie da gewesenen Einkaufsinitiative auch spürbar belegen. In diesem Bereich herrscht eine spürbare Aufbruchstimmung, denn Chinas technologischer Umbau gibt der deutschen Industrie und dem großen Mittelstand eine ganze Anzahl neuer  Geschäftsmöglichkeiten.

China bleibt demnach für die deutsche Wirtschaft und besonders für die Hightech-Industrie sehr spannend und Insider berichten davon, dass es um Milliardendeals geht. Doch nicht nur die innovationsorientierte Industrie, sondern auch die Innovationskerne der kleinen und mittleren Unternehmen gewinnen immer mehr an Bedeutung für chinesische Einkäufer. Nach Jahrzehnten des Mengenwachstums setzt das Reich der Mitte in seinem neuen 5-Jahresplan jetzt auf Hightech, Umwelttechnik und produktionsorientierte Zukunftskonzepte. Das neue chinesische Entwicklungskonzept verabschiedet sich damit von hohen Wachstumsraten mit gewaltigem Ressourcenverbrauch und setzt auf nachhaltige Wirtschaft und Umweltschutz. China ist damit nicht mehr die verlängerte Werkbank für Billigarbeit, sondern möchte sich zu einer Hightech-Nation mit Qualitätsproduktion entwickeln. Die Betonung liegt auf Qualitätsproduktion! Warum wohl will ein chinesisches Unternehmen den Roboterhersteller KUKA kaufen? Und das ist nur die Spitze vom Eisberg, doch es zeigt auf exemplarische Weise an, dass in diesem Qualitäts- und Hightech-Segment eine erhebliche Dynamik zu verzeichnen ist.

Im Grunde genommen verläuft die Entwicklung in China damit ähnlich wie in Deutschland vor einigen Jahrzehnten, in denen Stahlwerke und Bergwerke geschlossen wurden, die Textil- oder Schuhbranche weitgehend an Bedeutung verlor. Doch die Herausforderungen sind um ein Vielfaches größer, wenn man bedenkt, dass China mehr als doppelt so viele Einwohner wie die EU hat. Manche Kohleprovinz mit mehr Einwohnern als insgesamt in Deutschland wehrt sich vehement gegen diese Veränderungen, andere sehen eher die Chancen, welche sich durch die Neuorientierungen ergeben. Schon allein angesichts von Dauersmog oder vergifteten Flüssen ist dieses Umsteuern alternativlos, erklären chinesische Regierungsvertreter immer wieder. Die Bevölkerung akzeptiert nicht mehr die Schattenseiten einer zu schnellen Entwicklung und die wirtschaftlichen Folgekosten der gewaltigen Verschmutzung. Zweistellige Wachstumsraten beim Ressourcenverbrauch über weitere Jahrzehnte – das würde China, das würde die Welt nicht verkraften. Und deshalb ist u.a. die Umwelttechnologie sowie der Umgang mit den Abfällen von strategischem Interesse für China.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Robotertechnologie und Fabrikautomation. Nicht nur die Wirtschaft wuchs in China kontinuierlich über Jahrzehnte, sondern auch die Einkommen zeigten hohe Wachstumsraten. Jährlich zweistellig steigende Mindestlöhne und zunehmender Fachkräftemangel erfordern eine höhere Arbeitsproduktivität. Auf Basis der offiziellen Daten des National Bureau of Statistics (NBS) lagen die Zuwächse der Arbeitsproduktivität zwischen 2002 und 2012 in der Regel über den Lohnsteigerungen. Zudem soll der CO2-Ausstoß pro produzierter Ware drastisch reduziert werden, umweltfreundliche, effektive Verfahren sind gefragt und werden auf allen chinesischen politisch-administrativen Ebenen in die Welt getragen. Sie erkennen, welchen Stellenwert die Investition und der Kauf der EEW GmbH in Helmstedt hat?!
Zurück zur Robotik und der Fabrik 4.0. In China ist ein gewaltiger Bedarf an Industrierobotern vorhanden. Im Jahr 2014 wurden in China etwa 56.000 Industrieroboter verkauft, so die International Federation of Robotics (IFR). Das entspricht fast einem Viertel der Weltproduktion (zum Vergleich: 2013 – 36.860 Stück; rund ein Fünftel der Weltproduktion), meldet Germany Trade and Invest (gtai). Nach einer Hochrechnung der „2015 World Robotics Statistics“ soll bis 2018 mit 614.000 Einheiten ein Drittel aller Industrieroboter der Welt in China installiert sein. Gegenwärtig sind dies 262.900, berichtet China Daily im Januar 2016. Eine Massenarbeitslosigkeit erwarten die Wirtschaftspolitiker nicht. Eher im Gegenteil: Es wird in China immer schwieriger, Arbeitskräfte für einfache, stupide Tätigkeiten zu finden. Auch bei einer hohen Automatisierung entsteht ein wachsender Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern für Steuerungs- und Überwachungsaufgaben oder Wartung. Auch die Fabrik 4.0 kommt nicht ohne Menschen aus.
All diese automatischen Fertigungsverfahren müssen in der Produktion zusammenwirken. Doch im Produktionsprozess kommt es nicht auf die punktuelle Rationalisierung an, sondern auf das Zusammenwirken des Gesamtprozesses, erklärt Zhou Zhao Peng, Vice President der Shanghai STEP Electric Co., Ltd. „Wesentlich ist die Steuerungstechnik, die hinter einem Robotereinsatz steht. Wir haben beispielsweise eine Fertigungsline in der Automobilindustrie mit 140 unserer Industrieroboter bestückt, die in einer Minute gleichzeitig an einem Fahrzeug arbeiten. Da ist nicht der einzelne Roboter wichtig, sondern die Steuerung, die nur von Menschen gemacht werden kann. Ein Roboter kann im Endeffekt den Menschen nicht voll ersetzen, sondern nur menschlich vorgegebene Arbeitsschritte übernehmen“, schätzt Zhang. Und genau in diesem Bereich sind deutsche Produkte und deutsches Wissen sehr gefragt in China.

Der Maschinen- und Anlagenbau steht nicht nur in China vor neuen Herausforderungen, sondern in ganz Europa und insbesondere in Deutschland. Robotik, Firma 4.0, 3-D-Fertigung, Netzwerkorientierte Logistik und Beschaffung, E-Mobilität, Alternative Energie- und Wasserversorgung, hochmoderne Entsorgung – das sind auch im Deutschland der heutigen Zeit Technologiefelder, die eine strategische Wichtigkeit haben.

Nun, liebe Freunde der Zunft. Da ich ja seit Jahren nicht so darf, wie ich es als Wirtschaftsförderer gerne möchte, habe ich euch diese kleine Betrachtung angeboten. Wie ich aus dem politisch-administrativen Umfeld vernehme, streitet man sich immer noch, wer denn jetzt als erstes mit der Holding versucht zu kontakten. Ich selbst hätte schon lange ernsthaft versucht, einen engeren Kontakt herzustellen, doch mir sind die Hände wieder einmal gebunden worden. Das tut mir geradezu körperlich weh, denn ich bin mit ganzem Herzen Wirtschaftsförderer, doch es gibt hier im direkten Umfeld eben welche, die denken, Sie könnten das alles viel besser. Die Botschaft hör´ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Statt auf Messen und durch direkte Ansprachen die chinesischen Einkäufer zu akquirieren, wird sich hier immer noch geeinigt, ob es sinnvoll ist und wer es denn machen soll, statt einfach auf die Menschen zuzugehen!

Wohl denn, vielleicht ändert sich ja bald etwas, wenn die Bevölkerung in einer Direktwahl den neuen Landrat wählt. Ich persönlich wünsche es mir so sehr, glaubt mir.

Seid gesegnet!

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